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Daten, Personen Ereignisse, Anekdoten, Begebenheiten aus der Familie Nienhaus

Die ältesten Nienhaus waren freie Bauern. Es gab damals im 14. Jh., im Bramgau, besonders im westlichen Grenzsaum um Erle, klevische und münstersche Bauern. Die klevischen versuchte der Herzog von Kleve auf dem Weg über Schermbeck, die münsterschen versuchte der Bischof von Münster mit Hilfe Lembecks zu beherrschen. Schließlich spielte auch Gemen noch eine gewisse Rolle. Die klevischen und münsterschen Bauern schieden sich in "Höwener" und "Köwener". 

Als Höwener wurden die vollberechtigten Markengenossen angesprochen, als Köwener solche, die noch keine "Huve", wohl aber einen "Kowen", ein einfaches Haus besaßen (später "Kotten" genannt). Was die "klevischen Freien", die Höwener, angeht, so besteht ihr Kern aus den Nachfolgern der freien Bauern die 1364 mit dem Freistuhl zu Erle vom Freigrafen zu Heiden an den Herzog von Kleve kamen. Dazu zählte auch Derick Nyenhuß Wenn hier von "Freien" gesprochen wurde, so besagt das nicht , daß diese noch im Vollbesitz ihrer alten Freiheit gewesen wären. So verfügte Derick Nyenhuß zunächst nur bedingt über seinen Grundbesitz. Erst als er zu den Freirichtern am Erler Femegericht zählte, am Ort des heute noch stehenden und grünenden ältesten deutschen Baumes, der berühmten Femeiche, konnte er vermutlich wieder als "freier Mensch" bezeichnet werden. Er und seine Nachfolger waren also lange Zeit Bauern auf eigenem Grund und Boden und im Ehrenamt Freirichter (Schöffe) am Femegericht des Erler Freistuhls.

Im Jahre 1651 tritt ein Direck Nienhauß im Zusammenhang mit dem Glockenguß für die Erler Pfarrkirche in einer Verkaufsurkunde auf. Bis heute (2001) wird auf dem Nienhaushof Landwirtschaft betrieben. Für uns Menschen der fortgeschrittenen Neuzeit, am Ende des 20. Jahrhunderts und am Beginn eines neuen Jahrtausends, ist die Mühe, Not und Plage, die damit verbunden war, kaum noch vorstellbar.

Aus Gerhard Nienhaus Jugendzeit ("Franzosentied / Kosakenwinter")

Wie oft erlebt man im Gespräch mit alten Leuten, daß sie sich an weit zurückliegendes aus ihrer Jugendzeit sehr genau erinnern, Ereignisse aus der nahen Vergangenheit aber vergessen.

Gerhard Nienhaus, in Rhade liebevoll "Kösters Gerhärdsken" oder noch kürzer "Grätzken" genannt, ging es nicht anders. Durch sein hohes Alter bedingt - er wurde 86 Jahre alt - konnte er seinen Enkelkindern viel aus seiner wahrhaft ereignisreichen Jugendzeit erzählen. Geboren im Jahre 1800 im Kirchspiel Erle wuchs er mitten in die Nöte und Drangsale der Napoleonischen Kriege hinein. Gerade die Bauern hatten schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts während des Siebenjährigen Krieges unter französischer Einquartierung gestöhnt. Jeder Bauernhof in Erle, Rhade und der übrigen Herrlichkeit Lembeck hatte bis zu 10 Soldaten aufzunehmen und zu verpflegen gehabt. Menschlich war mit ihnen recht gut auskommen gewesen, aber Kriegszeiten bringen immer Not und Teuerung. Sein Vater Henricus, genannt wurde er Händerk, hatte von durchziehenden Flüchtlingen, besonders Priestern, Mönchen und Adligen erzählt. Vertrieben von den Revolutionsschergen eines Robbespierre, Danton und Marat irrten sie in der Weltgeschichte umher, froh den Kopf noch auf dem Hals zu tragen. Einige dieser Emigranten blieben sogar für immer auf den Höfen.

Der kleine Gerhard war gerade 7 Jahre alt, als im Frieden von Tilsit Napoleon das Münsterland dem französischen Kaiserreich einverleibte. Die Heimat wurde eingeteilt in Departement (Provinz), Arrondissement (Bezirk) Rees: Kanton (Kreis): Ringenberg und Mairie (Bürger-meisterei). Erle, Rhade, Altschermbeck und Holsterhausen kamen (ab 1.5.1812) zur Mairie Altschermbeck. Erstmalig wurden damals auch Gemeinderäte eingerichtet, als einziger Erler wird in den Urkunden Bernhard Böckenhoff genannt. Die 4 Dörfer der Mairie Altschermbeck hatten zu dem Zeitpunkt zusammen 2.256 Einwohner. 

Die Franzosen verstanden es anfänglich Begeisterung für Ihren Kaiser und die Ideale der Revolution bei den einfachen Münsterländer Bauern zu wecken. Liberte, Egalite, Fraternite wa-ren Begriffe die sich gut anhörten. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, wer wollte das nicht? Frei sein vom Joch des Hand- und Spanndienstes für den Grafen und den Pfarrhof, gleichgestellt sein mit dem oft dünkelhaften Adel, brüderlich teilen mit dem Landvolk - gute Worte, die in der relativ ruhigen Zeit bis 1812 Veränderungen schafften, die auch nach den Befreiungskriegen nicht mehr zurückgedreht werden konnten. 

Durch umfangreiche Bautätigkeiten, besonders ab 1811 bis 1813 der Bau der noch heute Napoleonstraße genannten Chaussee von Wesel nach Haltern und weiter gen Norden, brachte Arbeit und Brot in die Herrlichkeit. Gerhards Vater arbeitete selbst einige Tage "up de Stroote", wie man das nannte. Dadurch kam das ach so seltene Bargeld ins Haus. 

Doch die gute Zeit war von kurzer Dauer. Anfang 1812 verschärfte Napoleon die Zoll-Linien (Douanen), nach Süden diente die Lippe als Grenze zum Großherzogtum Berg, nach Norden strenge Grenzen gen Holland. Die Bauern und Knechte der Erler Westrich wurden zur Errichtung einer Pfahlgrenze von Schermbeck bis Raesfeld, direkt hinter dem Nienhaushof herführend, dienstverpflichtet. Franzosenpfähle nannte man diese Staketen. Durch diese Maßnahmen kam eine ungeheure Teuerung über die Gegend. Kolonialwaren (Gewürze, Zucker, Tabak, Tee, Kaffee etc.) waren unerschwinglich geworden. Verzicht - oder ausweichen auf heimische Produkte, das war das Gebot der Stunde. Als Kaffee-Ersatz röstete man z. B. Korn, Erbsen, Bohnen und Brotkrusten, gesüßt wurde mit Honig aus der Erler Heide, das Essen schmeckte wieder laff. Doch das war alles noch auszuhalten. Einige wurden sogar durch Schmuggel reich, erzählte man.

Der Frühling 1812 kam früh. Napoleon sah das als günstiges Zeichen für seine Truppenaufmärsche zum geplanten Feldzug gegen den russischen Zaren Alexander, der als einziger Herrscher des Kontinents ihm zu widerstehen wagte. Im Juli 1812 setzte der Kaiser seine Truppen planmäßig in Bewegung, darunter 25 junge Männer aus der Herrlichkeit Lembeck. Aus dem Jahrgang 1790 wurden 6, aus 1791 wurden 26 junge Männer ausgelost. Auch der Jahrgang 1792 war im Oktober 1812 mit 14 Leuten an der Reihe, sowie im Januar 1813 die vierte und letzte Aushebung mit wiederum 20 Männern. Mehr als die Hälfte dieser jungen Menschen überlebten den schrecklichen Rückzug aus Rußland, vor allem die am 6. November 1812 einsetzende bittere Kälte, nicht. Die zurückströmenden Truppen sorgten für weitere Drangsale. Fuhrwerke mußten gestellt werden, Pferde wurden requiriert, Fourage (Verpflegung) war aufzubringen. 

Nachdem die Franzosen fort waren, kamen die Verbündeten Russen, meist Kosaken vom Don, die sich etliche Übergriffe leisteten. "...sie waren überhaupt sehr roh und barbarisch, forderten wo sie kamen das Beste und wußten ihre Sprache mit der Knute, ja wohl mit Säbel und Lanze verständlich zu machen..." Gerhard Nienhaus erzählte davon als dem "Kosakenwinter"!

 

Der Bange Tag

Eines Tages flohen, so erzählte Gerhard seinen Kindern, wie auf ein geheimes Kommando hin alle wehrfähigen Männer in die umliegenden Wälder. An den genauen Grund und Datum wußte er sich nicht mehr zu erinnern. Vermutlich war das Gerücht von einer erneuten Aushebung, möglicherweise aber auch Angst vor einem neuen Kosakensturm Ursache dieses später "Bangen Dag" genannten geheimnisvollen Ereignisses. Auch in anderen Rhader Familien lebt diese Geschichte fort (z.B. Schulte). Der wahre Grund dürfte vor dem Abstand von 180 Jahren nicht mehr zu klären sein.

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Autor: root -- 25.05.2018; 13:24:47 Uhr

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