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Lebensweisen, Sitten und Gebräuche in Rhade um 1850

Gerhard Nienhaus aus Erle hatte sich nun in Rhade etabliert. Drei gesunde Kinder sorgten für Leben "bi Köster". Und die gute alte Zeit - so gut war sie beileibe nicht. Und dennoch: Die Leute damals waren mit ihrem Geschick wahrscheinlich zufriedener als wir Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Von den Ereignissen der Welt- und deutschen Geschichte drang wenig bis Rhade durch. Eine Zeitung war unerhörter Luxus. Die Revolution von 1848 ging an unseren Vorfahren spurlos vorüber, auch vom Krimkrieg bekam man nichts mit. Der Nöte des Alltags waren genug. Geld war wenig vorhanden, auch Bauern hatten kaum Bargeld. Kolonialwaren wurden häufig im Tauschhandel erworben. Man brachte Eier, Butter und Flachsgarn zu Köster oder Kuppmann (Krebber) und bezahlte damit die Ware. Über dem Ladentisch war ein Reck angebracht, daran hingen die Stücke Leinengarn. Das Garn wurde gewebt und die Leinwand gebleicht. In Rhade waren zwei Bleichen. Kamen Kinder  in den Laden, die etwas mehr als gewöhnlich kauften, bekamen sie als Lockspeise eine gedörrte Pflaume. Auf dem Ladentisch bei Köster stand ein Paket mit Schnupftabak, denn damals nahmen die Frauen, besonders die älteren, gerne ein Prise.

Die Gaststube      bei Köster wurde fast nur des Sonntags und dann auch nur von wenigen Leuten besonders nach dem Hochamt besucht. Die meisten Männer ergingen sich in Feld und Wiese - andere kegelten im Freien hinter der Gaststube. Bier wurde selbst gebraut und mit Gagel aus der Heide haltbar gemacht. Noch bis 1952 erinnerte das alte Brauhuus an diese Zeit. Zu einer Nebenwährung wurde in dieser Zeit der klare Korn, manchmal auch zu einer Plage. So mancher Bauer verfiel dem Alkohol und vernachlässigte Hof und Familie.

Die Kleidung    war einfach. Männer trugen einen sehr langen blauen Tuchrock. Man trug ihn von der Hochzeit bis zum Lebensende. Das Halstuch war geknotet, die Hose reichte bis zur Wade und war an der Seite mit einer blanken Schnalle befestigt. Ältere Frauen trugen eine "Nebelkappe", ein Häubchen. Das war ein seidenes Mützchen mit einem breiten Band. Vorn und hinten waren breite, meist imitierte Gold- und Silberborden, dann kamen fußfreie Kleiderröcke und dreieckige Schultertücher aus Seide oder Wolle. Alltags reichte ein einfaches Linnenkleid, dazu Holzschuhe (Klumpen). An den Winterabenden setzten sich die Männer gern an das Herdfeuer in der Küche, Nachbarn gesellten sich dazu. Die weiblichen Wesen hielten sich in der Wohnstube beim warmen Ofen auf.. Man brachte das Spinnrad herüber, es wurde erzählt, "gesponnen" eben. Kam mal ein junger Mann hinzu, ging es lebhaft her. Oft klapperten bis zu 5 Spinnräder. Die Mädchen "klapperten" mit. (Klappern = Rhader platt für tratschen). Nicht nur die Frauen und Töchter der Bauern spannen ihren Flachs zu Garn, auch die Mägde hatten ihren Flachs, den sie im Winter zu Garn spannen. Sie konnten neben Geld und Lohn auch 25 Quadratruten*) Ackerland zum Anbau von Flachs in Anspruch nehmen. Es war nicht selten, daß ein Dienstmädchen bei der Verheiratung eine ansehnliche Anzahl Leinenstücke als ihr Eigentum mit in die Ehe bringen konnte.   

*) 1 Quadratrute = 14,19 qm

Die Ernährung   war höchst einfach und eintönig. Weißbrot kam fast nicht auf den Tisch. Die Regel war Roggenstuten. Vereinzelt konnte man im Laden ein kleines Weizenbrötchen für 10 Pf. erhalten und sogenannte Beschüte zum Preise von 1 Pf. Diese Waren wurden samstags von einem Er-ler Bäcker in einer Kiepe gebracht. Bei Beerdigungen kam der Bäcker auf Bestellung herüber und brachte Beschüte, der Beerdigungskaffee mit Bes chüte war für viele Rhader ein Festessen. Mittags kam Grütze, Brei und der unvermeidliche, heute oft so gelobte Buchweizenpfannkuchen auf den Tisch. Und Kartoffeln, Kartoffeln, Kartoffeln: "Tuffel met natt, wennkt seh, bünk satt." Bei Köster konnte man ansonsten über die Verpflegung nicht klagen. Man aß immer gern und gut. Das hat sich nicht geändert. Transportiert wurde fast alles zu Fuß. Die Großhändler fuhren damals nicht mit Wagen zu den Kunden in die kleinen Orte und brachten die Ware zu ihnen. Kösters Gerhard mußte sich seine Waren holen. Hatte man kein Pferd zur Verfügung, so nahm man die Schubkarre ("Watt dat stüff, watt datt stüff, wenn de Buur mett de Schuffkoor schüff.") oder bei kleinen Mengen den Rucksack.

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Autor: root -- 17.03.2007; 13:27:52 Uhr

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